Die Existenz des Fliegenden Holländers ist unbestritten … aber die des fliegenden Schulbusses ist den wenigsten bekannt. Aber es gibt sie!
Sie sind zumeist nicht gelb oder rot, sondern grün oder horizontgrau. Sie fliegen etwa um die 300 km/h und können Tonnen bewegen. Ihre Namen sind CH 35 oder CH 47.
Die Notwendigkeit solcher großen Transporthubschrauber ist unumstritten und wird spätestens beim nächsten Hochwassereinsatz jedem bewusst. Dass sie militärisch ein hoher Gewinn sind, wird deutlich, da die Bundeswehr ihre Flotte von CH 53 ersetzen möchte. Ein Kandidat: der Chinook CH 47, der auch international bei Spezialkräften eingesetzt wird.
Hier die genauen Hintergründe, recherchiert von der Zeitschrift „Europäische Sicherheit & Technik“:
Die Bundeswehr plant, die zurzeit bei der Luftwaffe eingesetzten Varianten des mittleren Transporthubschraubers CH-53 beginnend im Jahr 2022 durch einen neuen Schweren Transporthubschrauber (STH) zu ersetzen.
„Die Erfahrungen sowohl laufender als auch abgeschlossener Einsätze haben gezeigt, dass ein wesentlicher Eckwert zum Einsatz eines Drehflüglers im Aufgabenspektrum vergleichbar der CH-53 die Einsatzreichweite ist“, so die Leistungsbeschreibung des Dokumentes „Fähigkeitslücke und Funktionale Forderung (FFF) für Schwerer Transporthubschrauber (STH)“, das durch den Generalinspekteur gebilligt wurde. „Dies wurde bei der Erarbeitung der Missionsprofile für den STH berücksichtigt“, führt das Dokument weiter aus. „Daher ist eines der fähigkeitsbestimmenden Leistungsparameter die Verfügbarkeit eines Einsatzradius ohne Zusatztanks/AAR-Fähigkeit von mindestens 250NM. Darüber hinaus ist für Operationen im Bereich PR inklusive CSAR sowie Teilnahme am Einsatzverbund SOF-Air eine möglichst hohe Stehzeit in unmittelbarer Nähe zum Operationsgebiet essentiell. Diese Stehzeit muss über die Fähigkeit zur Luftbetankung (AAR) oder durch eine Mischung aus Luftbetankung und Reichweitenerhöhung mittels Zusatztanks umgesetzt/ realisiert werden. Da die Reichweitenerhöhung bspw. durch Innenzusatztanks die Nutzung des Laderaumes unverhältnismäßig einschränkt, ist diese Form der Reichweitenerhöhung nicht für alle Missionen anwendbar. Einsätze im Rahmen von z. B. TacAirMedEvac lassen die Nutzung von Innenzusatztanks aus Sicherheitsgründen nicht zu. Um jedoch eine Verlegefähigkeit über strategische Distanzen unabhängig von der Verfügbarkeit strategischer Transportmittel zu gewährleisten und insbesondere bei Verlegungen im Vorfeld von Evakuierungsoperationen reaktionsschnell zu sein, ist für eine Eigenverlegung die Ausrüstung mit Zusatztanks (ZT) zusätzlich vorzusehen.“
Neben der Beschreibung der Ausstattung mit standardisierten Führungsmitteln liegt ein weiterer Fokus auf CSAR. „Die Fähigkeit, die erforderlichen Kräfte im vorbestimmten Umfang, zur richtigen Zeit, am festgelegten Ort zum Einsatz zu bringen, stellt im Rahmen des operativ/taktischen Lufttransportes genauso wie die Erlangung der Befähigung zur bewaffneten Suche und Rettung (CSAR Capability, Erfüllung des NATO-Planungsziels A 6103) eine zentrale und elementare Forderung dar“, betont das Dokument.
„Die NATO-Einmeldungen für das WaSys CH-53 im Rahmen des NDPP bilden den Ausgangspunkt der Bedarfsbetrachtungen für das Projekt STH“, lautet die Prognose in dem Dokument. „Aufgrund der Systematik im Rahmen der NDPP-Einmeldung wird die Bedarfsprognose STH für die Fähigkeiten taktisch-operativer Lufttransport, SOF Air sowie CSAR getrennt voneinander betrachtet. Neben den NATO-Verpflichtungen ist auch der Level of Ambition (LoA) der Bundeswehr gemäß LLNeuAusrBw im Rahmen der internationalen Konfliktverhütung und Krisenbewältigung (KuK) mit den gleichen WaSys zu erfüllen, d.h. sowohl hochintensive Anfangsoperationen bis zu einem Jahr Einsatzdauer, langanhaltende durchhaltefähige Stabilisierungsoperationen oder Mischformen dieser beiden Einsätze. Parallel sind Einsätze für Militärische Evakuierung und SpezOp zur Befreiung von Geiseln im Ausland durchzuführen sowie der Grundbetrieb aufrecht zu erhalten (Single Set of Forces-Prinzip). In der Bedarfsprognose ist zu berücksichtigen, dass für Einsatzbesatzungen pro Jahr ein Flugstundenkontingent von 180 Fh/Jahr zur Verfügung stehen muss, um den Status Combat Ready zu erhalten. Davon können bis zu 40 Fh in einem „Hochwert-Flug- und Taktiksimulator“ (high fidelity mission simulator) erbracht werden. Somit sind mindestens 140 Fh/Jahr als im WaSys durch die Einsatzbesatzungen zu erfliegende Fh zu planen, sofern auf einen „Hochwert-Flug- und Taktiksimulator“ zurückgegriffen werden kann. Deutschland hat gegenüber der NATO im Rahmen des NDPP für die Fähigkeit des taktisch-operativen Lufttransports bisher die Verfügbarkeit von 35 WaSys CH-53 angezeigt. Die deutschen, durch die NATO vorgegebenen Planungsziele unterliegen einer zyklischen Überprüfung und damit einem Potenzial für Veränderungen. Im Bereich des taktischen-operativen Lufttransports ist jedoch nicht von einer Reduzierung auszugehen, denn die mit dem Readiness Action Plan (RAP) implementierte VJTF der enhanced NRF (eNRF) bedarf zur schnellen Schwerpunktbildung eines hohen Anteils an Luftbeweglichkeit.“
Während der ILA 2016 präsentierten die beiden Bewerber um den Auftrag, Boeing und Sikorsky, ihre jeweilige Lösung. Beide Hersteller bieten die jeweils neueste Variante bewährter Hubschrauberfamilien an: Boeing die CH-47 F ER (Extended Range) und Sikorsky die CH-53 K. Von beiden Hubschraubern kann erwartet werden, dass sie trotz gewisser Unterschiede in ihrem Leistungsprofil den Anforderungen der Bundeswehr in hinreichendem Maß entsprechen. Beide bieten die Möglichkeit zur Luftbetankung und eine ähnliche, zeitgemäße Avionik, auch wenn letztere im Fall der CH-47 F mit einer konventionellen Flugregelanlage zusammenwirkt.
Die Stärken der CH-47 F liegen vor allem in ihrer technischen Reife (geringes Entwicklungsrisiko), ihrer weiten Verbreitung (großes Potential für multinationale Kooperation), einem langen Nutzungshorizont (U.S. Army voraussichtlich bis 2060) sowie der größeren Reichweite ohne Luftbetankung.
Die CH-53 K besticht durch die fast in allen Bereichen neuere Technologie, höhere Antriebsleistung (mehr Sicherheit, weniger Einschränkungen, schnellere Reaktion und mehr Nutzlast), das größte Frachtraumvolumen aller westlichen Transporthubschrauber (bei fast den gleichen Außenmaßen wie die heutigen CH-53) sowie das insgesamt größere Wachstumspotential.
Der vielleicht entscheidende Unterschied liegt jedoch im Preis. Auch wenn noch keine genauen Werte verfügbar sind, ist anzunehmen, dass die CH-53 K deutlich teurer werden dürfte als die CH-47 F.
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